Auslandstierschutz – Chance oder Risiko?

Das Elend für so manches Tier ist groß, nicht nur in Deutschland. Jährlich mehren sich zudem die Warnungen, dass deutsche Tierheime aufgrund der stetig steigenden Zahl von Abgabetieren, buchstäblich aus allen Nähten platzen. Wer praktischen Tierschutz betreibt kennt die Probleme Nottiere unterzubringen, sei es auch nur vorübergehend. Macht es unter diesen Voraussetzungen Sinn, Tiere aus dem Ausland nach Deutschland zu bringen, die womöglich früher oder später in einem Tierheim landen?

Vom Transitverkehr betroffen sind größtenteils Hunde aus Süd- und Osteuropa, die dort unter elenden Bedingungen als Straßenhunde leben aber auch Hunde aus so genannten „Tötungslagern“, ein kläglicher und verabscheuungswürdiger Versuch, die Population von Straßenhunden einzudämmen.

Nach Schätzungen der Darmstädter Amtveterinärin Dr. Christa Wilczek werden jährlich etwa 200.000 Hunde aus dem Ausland importiert, von Tierschutzorganisationen und auch von Privatpersonen, die im Urlaub auf die miserablen Lebensumstände von streunenden Tieren aufmerksam geworden sind. Zwischen der Schätzung von Dr. Wilczek und weiteren Schätzungen klafft eine Lücke von noch einmal 200.000 Tieren. Die Dunkelziffer ist also ebenso hoch wie die ernstzunehmende Schätzung, und vorausgesetzt, dass alle Tiere, die hierbei erfasst sind, auch Not leidend sind, schockiert dies auch jeden, der bisher strikt gegen einen Tiertransit aus dem Ausland nach Deutschland ist. Dennoch, der Vorteil für das individuelle Tier, welches nach Deutschland gebracht wird, liegt auf der Hand, zumindest theoretisch. Anscheinend wird die Gesamtsituation für Tiere in den betroffenen Ländern nicht verbessert, auch wenn man dort jedes Jahr 900.000 Tiere von der Straße holt, und sie in Länder wie Deutschland, den Niederlanden, Österreich und Schweiz verbringt.

Dass die Populationszahl sich nur unmerklich reduzieren lässt, liegt nicht an den wenigen Massenvergiftungen oder anderen Tötungsmethoden, oder gar daran, dass sie nicht grausam genug sind. Es geht nicht schlimmer. Vielmehr unterliegt die Populationsdichte einer Eigendynamik, die durch die Größe des Lebensraumes und des Futterangebotes stark bedingt wird. Aber wer nun meint, durch eine Ghettoisierung unter striktem Nahrungsentzug (und unter Verneinung gesetzlicher Vorgaben und Moralvorstellungen) das Problem zu lösen liegt falsch. Offiziellen Schätzungen zu Folge liegt die Zahl streunender oder verwildert lebender Hunde in der Rumänischen Hauptstadt Bukarest bei 200.000 Tieren. Grundlegend anders sieht es in anderen Großstädten auch nicht aus, was die dynamischen Ursachenwirkungen betrifft. Hier liegen Schätzungen bei etwa 95.000 Tieren. Selbst wenn alle Tiere verbracht oder getötet werden würden, stiege die Anzahl innerhalb einiger Monate durch Zulauf und Vermehrung wieder auf die etwa selbe Zahl. Falsch ist es auch deshalb, den Ansatz des Problemgedankens nur auf die Populationsstärke zu reduzieren. Vielmehr muss es doch darum gehen, die Lebensbedingungen aller streunenden und verwildert lebenden Tiere maßgeblich zu verbessern. Natürlich, je weniger Tiere es gibt, um die sich gekümmert werden muss, umso leichter die Aufgabe. Doch, wenn es dem Individuum Tier gut geht, gibt es keinen Grund es quer durch halb Europa zu transportieren, über Stunden in Transportboxen zu lassen und es völlig fremden Lebensbedingungen auszusetzen. Davon, dass die meisten Transporte von Auslandstieren gegen europäisches Tiertransportrecht, europäisches Recht zum innergemeinschaftlichen Verkehr mit lebenden Waren und nicht zuletzt gegen nationales Ein- und Ausfuhrrecht, Tierschutzrecht und Steuerrecht verstoßen, wird an dieser Stelle nicht weiter besprochen werden.

Dass das Problem der katastrophalen Lebensbedingungen ohne geregeltes Nahrungsangebot, tierärztliche Versorgung und der tagtäglichen Tierquälerei auf den Straßen im Ganzen nicht dadurch gelöst wird, dass Tiere in geheiligte Länder gebracht werden, ist ein Fakt. Doch warum wird es trotzdem getan, ist wieder besseren Wissens, oder sind es Befindlichkeitshandlungen angesichts des Elends? Die Zahl der Tierschutzvereine, die sich auf Auslandstierschutz spezialisiert haben, steigt genauso wie die Anfragen bei Tierschutzorganisationen und Tierheimen nach geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten. Obwohl seitens derjenigen, die dieses System Auslandstierschutz praktizieren, beteuert wird, dass die Tiere nur verbracht werden, wenn ein geeigneter Unterbringungsplatz gewährleistet wird. Dass diese Gewährleistung nicht selten auch von in Deutschland ansässigen Tierheimen erfolgt, wirft Fragen auf. Einerseits wird die Platznot kolportiert und anderseits wird nicht jedes Tier aus dem Heim auch sofort vermittelt.

Was ist also zu tun? Um die Ursache bei der Wurzel zu packen, muss das Hauptaugenmerk auf der Tätigkeit vor Ort liegen, hier müssen adäquate und nach Standards hierzulande geeignete Tierheime und Tierhöfe mit geschultem Personal aufgebaut werden. Akzeptanz finden solche Einrichtungen in den jeweiligen Ländern aber auch nur, wenn die Bevölkerung mit in die Projektarbeit einbezogen, kulturelle und sozial-landestypische Dynamiken dabei berücksichtigt werden. Ein weiterer Schwerpunkt müssen Kastrationsprojekte bleiben, sowie eine offensive praktische Öffentlichkeitsarbeit, die die Belange von Tieren im Allgemeinen und speziell die von Streunern berücksichtigt. Das Motto darf eben nicht nur allein lauten: „Es ist gut, solang man es tut“ – gut wird es erst durch lösungsorientiertes Handeln und einen sehr langen Atem. Solange nicht auf mehreren Ebenen professionell gehandelt wird, besteht das Risiko, dass man noch über Jahre Tropfen auf die heißen Steine gibt und dass die ehemaligen Streuner wieder in eine ungesicherte Zukunft blicken.

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