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Positionen zum Tierschutz

„Einen neuen Tierschutz braucht das Land“
Positionen | Tierheime | Wenn Tiere als Problem gelten | Tiere als Ware

Dass Tierheime in Deutschland buchstäblich aus allen Nähten platzen, ist längst kein Geheimnis mehr. Sicherlich, immer noch werden viele Tiere jedes Jahr ausgesetzt, doch dies allein kann nicht die Ursache sein und diesem Problem symptomatisch mit dem Neubau weiterer Tierheime zu begegnen, dürfte gerade in Zeiten der Finanzkrise und schwindenden Unterstützungen ein Planspiel bleiben.

Noch immer scheint in den meisten Köpfen, wenn es um die Anschaffung eines Haustieres geht, der Gedanke zu schwirren, dass Tiere aus dem Tierheim eine Art minderwertige „Ware“ sind – warum sind die Tiere denn sonst dort gelandet, mag man sich fragen. Auf der einen Seite finden sich meist Tiere, die als problematisch eingestuft werden. Ein gutes Beispiel für schwierig zu vermittelnde Tiere sind so genannte Kampfhunde, die bei ihren Haltern beschlagnahmt wurden. Selten, weil die Hunde tatsächlich in Hundekämpfe verwickelt waren, schon eher, wenn der Halter nicht die nötigen Voraussetzungen mitbrachte, eine der gesellschaftlichen und durch einige Revolverblätter denunzierte Rassen, halten zu dürfen. Auch des Deutschen liebster Hund, der Schäferhund, ist häufiger denn je Kandidat im örtlichen Tierheim. Nicht, weil sich herumgesprochen hat, dass diese Rasse statistisch am häufigsten in tödliche Beißunfälle verwickelt ist, sondern weil der chirurgische Eingriff bei zuchtbedingtem Hüftschaden ausgesprochen teuer wird. Die Vermittlungschancen bei diesen oder ähnlich gelagerten „Problemfällen“ rangiert gegen null.

Haustierführerschein
Andererseits ist die Anschaffung eines Tieres leichter als eine Fahrerlaubnis für den öffentlichen Straßenverkehr zu erlangen. Kurz, niemand prüft im Vorfeld, ob der potentielle Tierhalter die nötigen Sachkenntnisse und die finanzielle Ausstattung mitbringt, um einem Tier überhaupt gerecht zu werden. Und, wird das Tier betreut, wenn der Halter krank wird? Eine Pflicht zum Abschluss einer Tierkrankenversicherung oder Haftpflichtversicherung gibt es ebenfalls nicht und natürlich auch keinen Haustierführerschein. Diese Punkte heilen die Probleme selbstverständlich nicht allein, doch würde wohl auch dem Letzten bei so viel Formalitäten klar werden dürfen, dass das Halten und Besitzen von Tieren eine ernstzunehmende Angelegenheit ist, die selbstkritisch überlegt werden muss.

Produzenten, Tierhändler und Ganoven
Doch Tiere, die dem Tierheim sehr nahe sind, fallen nicht einfach von den Bäumen. Auch sie werden geboren unter guten oder schlechten Bedingungen, mit guten oder bösen Vorsätzen. 
Der Verband für das deutsche Hundewesen, dem mehr als 650.000 Mitglieder angeschlossen sind, arbeitet unter dem Leitsatz „ Unser Handeln ist geprägt von unserem Anspruch, in den Mitgliedsverbänden und -vereinen Leistungen von einheitlich hoher Qualität zu erbringen – nicht nur für den Hund, sondern auch für die Menschen, denen Hunde am Herzen liegen.“ Es darf davon ausgegangen werden, dass die Zucht der angeschlossenen Mitglieder beanstandungslos ist. Was aber bitte auch hier nicht zu vergessen ist, auch ein seriöser Züchter lebt nicht allein von seiner Passion. Ein gesundes Tier mit anständigem Stammbaum baut seinen zukünftigen Besitzer durch ein stolzes Ego auf, was er lediglich bezahlen muss. Hier geht es also auch ums liebe Geld. Es gibt viele Züchter, die ihre Tiere wieder zurücknehmen, wenn die neuen Besitzer es nicht mehr wollen. Doch ältere Exemplare landen immer wieder gern im Tierheim, aufgrund ihres Alters als Dauerkandidat. Die Langzeitkosten trägt das Tierheim. 
Es sitzen zigtausend Tiere in Tierheimen und erwarten ein neues Zuhause, auf der anderen Seite darf unbegrenzt neu produziert, gezüchtet und verkauft werden. Das Szenario erinnert an die Butterberge der EU und Subventionen für Milchproduzenten – nur dass Tierschutzvereine und Tierheime Teile der „Produktion“ im Nachgang finanziell zu tragen haben.
Dann gibt es noch diejenigen, die gänzlich nur aus der Passion Geld zu verdienen, Tiere vermehren. Diejenigen, die keinem Zuchtverband unterliegen. Es gibt sie in Deutschland, Spanien, Ungarn und ja, es gibt sie wohl überall. Sie locken ihre Kundschaft mit Schnäppchenpreisen oder mit Mitleid, das Tierchen doch aus seinem Elend freizukaufen. 
Ein ganzer Markt aus Produzenten, Groß- und Zwischenhändlern und Händlern, die die Tiere an den Mann bringen, hat sich in den letzten Jahren organisiert und etabliert. Der Transfer von Tieren nach Deutschland innerhalb der EU ist kinderleicht auch deshalb, weil nur auf Verdacht oder stichprobenartig an den Ländergrenzen kontrolliert wird. 
Besonders prekär wird die Situation dann, wenn so genannte Tierschutzvereine massenhaft Tiere aus dem Ausland oder Inland von derartigen Produzenten erwerben und das Tier, angepriesen mit seinem gebeuteltem Schicksal, vermittelt werden soll. 
Es gibt „Tierschutzvereine“ in Deutschland, die nach eigenen Angaben mehr als 3000 Hunde von „Vermehrern befreit“ haben.
Angeblich ist für kein einziges Tier Geld geflossen, obwohl es hierzu widersprüchliche Behauptungen gibt. Selbst falls nicht für die ausgebeuteten Zuchthündinnen oder behinderte Tiere gezahlt wird, verschaffen diese Vereine den Produzenten dadurch einen Vorteil, dass sie ihre unverkäufliche Ware loswerden, Platz für neue Jungtiere bekommen und weil derart skrupellose Vermehrer ohne Anzeige bei Behörden davon kommen. Schließlich möchte man zum Wohle der Tiere weiterhin mit ihnen zusammenarbeiten. Doch scheint es auch für die Vereinsbetreiber lukrativ zu sein. Der Fluss des Elends reißt ja schließlich nicht ab, weil faktisch nichts gegen die Machenschaften unternommen wird und ein Tier, welches aus grausamen Bedingungen ins glorreiche Land kam, nun mal schwer auf die Tränendrüse drücken kann. Selbstverständlich werden die Tiere mit Schutzgebühr vermittelt, was an sich richtig ist. Nur nicht, wenn der vermeintliche Retter unterstützender Teil des Geschäftes ist, die Vermehrungsstätten durch Abnahme von Tieren und ohne juristische Konsquenzen unterstützt.
Im Fazit darf es nicht sein, dass durch das Dazutun von vermeintlichen Tierschützern ein ganzer Markt der Ausbeutung und skrupellosen Finanzinteressen im schlimmsten Fall noch gefördert wird.

Tiere aus dem Ausland
Es ist natürlich richtig, dass auch in vielen Ländern der EU Tierschutz nicht gerade an erster Stelle, gesellschaftlich und juristisch, rangiert. Falsch hingegen ist jedoch eine Tierschutzpolitik, die ausschließlich darauf abzielt Auslandstiere in andere Länder zu verschieben. Sicherlich, besonders auch in Deutschland lassen sich Auslandstiere gut vermitteln. Doch die Erfahrung zeigt, dass vermittelte Tiere ebenfalls wieder dem System Tierheim zugeführt werden, wobei hierbei ein Problem, das der Anbindung an verantwortungsbewusste Menschen, nur verlagert wird und diese Tiere die raren freien Plätze besetzen.
Vielmehr muss es konzeptionell darauf angelegt werden, die zum Teil gravierenden Tierschutzprobleme direkt vor Ort zu lösen, auch wenn dies ein Sisyphosweg ist, der einen langen Atem, finanzielle Hilfe für Tierschutzprojekte in den Ländern und regelrechtes Dämmebrechen bei Behörden und Politik bedeutet. Sensibilisieren und realistische Forderungen erheben, gepaart mit einer gehörigen Portion Durchhaltevermögen, lautet hier die Devise.

Grundlegend, und dies gilt besonders für den Tierschutz in Deutschland, fordern wir von allen Tierschutzbeteiligten eine vorbehaltlose und verstärkte Zusammenarbeit mit Veterinärämtern und Ordnungsbehörden. Der Tierschutz kann gut zu Lösungen beitragen, hat aber, auch wenn es einige Tierschützer gern anders sehen würden, keine exekutive Gewalt. Und die Mär vom faulen Veterinär ist definitiv ein mit Vorurteilen gezierter, alter Hut und trifft wie in allen anderen Bereichen, höchstens im Einzelfall zu.
Die größten Schwierigkeiten, und es gibt wohl kaum einen Bereich, der ähnlich anfällig dafür ist, bereiten sich Tierschützer untereinander. Sei es, wenn es um Verfahrensweisen im Tierschutz, die Finanzierung von Vereinen oder die Zusammenarbeit im Allgemeinen, geht. Die Symptome dieser tierschutzspezifischen Krankheit, Missgunst, Denunziation und einfache Überheblichkeit, lassen sich nur heilen, wenn alle endlich mal erkennen, dass die nötigen Kräfte gegen die Ausbeutung, Vernachlässigung, Misshandlung und Rechtlosigkeit der Tiere nur gelingt, wenn alle an einem gemeinsamen Ziel arbeiten, geschürte Ressentiments ablegen und sich gemeinsam gegen diejenigen Stellen wenden, die einen erfolgreichen Tierschutz auf breiter Ebene gerne verhindern möchten.

Neue EU-Verordnung für Tiere aus dem Ausland

Am 06.05.10 verabschiedete die Europäische Kommission eine Verordnung 
hinsichtlich der Höchstzahl von Heimtieren, die in die EU eingeführt werden
dürfen. Ein Hintergrund der Verordnung ist es, den Handel mit Tiere unter
dem Deckmantel des Tierschutz zu verhindern. 

Demnach dürfen Hunde zum Zwecke des Handels nur verbracht werden, wenn sie

- eindeutig gekennzeichnet sind (Tätowierung oder Chip), eine gültige Tollwutschutzimpfung besitzen,
- beides im Heimtierausweis von einem zugelassenenen Tierarzt bestätigt wurde und
- eine Gesundheitsbescheinigung vorliegt, aus der hervorgeht, dass die Tiere innerhalb von 24 Stunden
vor dem „Versand“ von einem von der zuständigen Behörde zugelassenenen Tierarzt untersucht wurden 
und sich dabei als transportfähig erwiesen haben.

Die Antwort auf die Frage ab welchem Alter ein Welpe zu Handelszwecken nach Deutschland verbracht werden darf, lässt sich aus dem Erfordernis ableiten, dass bei der Einreise ein wirksamer Tollwutschutz vorliegen muss. Nach der Entscheidung 2005/91/EG liegt ein wirksamer Impfschutz frühestens 21 Tage nach Abschluss des Impfprotokolls vor, das der Hersteller des Impfstoffes für die Erstimpfung vorsieht. Da in der Regel ein Mindestalter von 3 Monaten für die Erstimpfung gegen Tollwut vorgesehen ist, können Welpen innerhalb der Europäischen Union also frühestens in einem Alter von ca. 4 Monaten zu Handelszwecken verbracht werden.

Desweiteren wurde mit der anhängenden EU-Verordnung eine weitere Weiche in die richtige Richtung gestellt. 
Ab fünf Hunden gelten die Bestimmungen für den gewerblichen Handel!

Auslandstierschutz – Chance oder Risiko?

Das Elend für so manches Tier ist groß, nicht nur in Deutschland. Jährlich mehren sich zudem die Warnungen, dass deutsche Tierheime aufgrund der stetig steigenden Zahl von Abgabetieren, buchstäblich aus allen Nähten platzen. Wer praktischen Tierschutz betreibt kennt die Probleme Nottiere unterzubringen, sei es auch nur vorübergehend. Macht es unter diesen Voraussetzungen Sinn, Tiere aus dem Ausland nach Deutschland zu bringen, die womöglich früher oder später in einem Tierheim landen?

Vom Transitverkehr betroffen sind größtenteils Hunde aus Süd- und Osteuropa, die dort unter elenden Bedingungen als Straßenhunde leben aber auch Hunde aus so genannten „Tötungslagern“, ein kläglicher und verabscheuungswürdiger Versuch, die Population von Straßenhunden einzudämmen.

Nach Schätzungen der Darmstädter Amtveterinärin Dr. Christa Wilczek werden jährlich etwa 200.000 Hunde aus dem Ausland importiert, von Tierschutzorganisationen und auch von Privatpersonen, die im Urlaub auf die miserablen Lebensumstände von streunenden Tieren aufmerksam geworden sind. Zwischen der Schätzung von Dr. Wilczek und weiteren Schätzungen klafft eine Lücke von noch einmal 200.000 Tieren. Die Dunkelziffer ist also ebenso hoch wie die ernstzunehmende Schätzung, und vorausgesetzt, dass alle Tiere, die hierbei erfasst sind, auch Not leidend sind, schockiert dies auch jeden, der bisher strikt gegen einen Tiertransit aus dem Ausland nach Deutschland ist. Dennoch, der Vorteil für das individuelle Tier, welches nach Deutschland gebracht wird, liegt auf der Hand, zumindest theoretisch. Anscheinend wird die Gesamtsituation für Tiere in den betroffenen Ländern nicht verbessert, auch wenn man dort jedes Jahr 900.000 Tiere von der Straße holt, und sie in Länder wie Deutschland, den Niederlanden, Österreich und Schweiz verbringt.

Dass die Populationszahl sich nur unmerklich reduzieren lässt, liegt nicht an den wenigen Massenvergiftungen oder anderen Tötungsmethoden, oder gar daran, dass sie nicht grausam genug sind. Es geht nicht schlimmer. Vielmehr unterliegt die Populationsdichte einer Eigendynamik, die durch die Größe des Lebensraumes und des Futterangebotes stark bedingt wird. Aber wer nun meint, durch eine Ghettoisierung unter striktem Nahrungsentzug (und unter Verneinung gesetzlicher Vorgaben und Moralvorstellungen) das Problem zu lösen liegt falsch. Offiziellen Schätzungen zu Folge liegt die Zahl streunender oder verwildert lebender Hunde in der Rumänischen Hauptstadt Bukarest bei 200.000 Tieren. Grundlegend anders sieht es in anderen Großstädten auch nicht aus, was die dynamischen Ursachenwirkungen betrifft. Hier liegen Schätzungen bei etwa 95.000 Tieren. Selbst wenn alle Tiere verbracht oder getötet werden würden, stiege die Anzahl innerhalb einiger Monate durch Zulauf und Vermehrung wieder auf die etwa selbe Zahl. Falsch ist es auch deshalb, den Ansatz des Problemgedankens nur auf die Populationsstärke zu reduzieren. Vielmehr muss es doch darum gehen, die Lebensbedingungen aller streunenden und verwildert lebenden Tiere maßgeblich zu verbessern. Natürlich, je weniger Tiere es gibt, um die sich gekümmert werden muss, umso leichter die Aufgabe. Doch, wenn es dem Individuum Tier gut geht, gibt es keinen Grund es quer durch halb Europa zu transportieren, über Stunden in Transportboxen zu lassen und es völlig fremden Lebensbedingungen auszusetzen. Davon, dass die meisten Transporte von Auslandstieren gegen europäisches Tiertransportrecht, europäisches Recht zum innergemeinschaftlichen Verkehr mit lebenden Waren und nicht zuletzt gegen nationales Ein- und Ausfuhrrecht, Tierschutzrecht und Steuerrecht verstoßen, wird an dieser Stelle nicht weiter besprochen werden.

Dass das Problem der katastrophalen Lebensbedingungen ohne geregeltes Nahrungsangebot, tierärztliche Versorgung und der tagtäglichen Tierquälerei auf den Straßen im Ganzen nicht dadurch gelöst wird, dass Tiere in geheiligte Länder gebracht werden, ist ein Fakt. Doch warum wird es trotzdem getan, ist wieder besseren Wissens, oder sind es Befindlichkeitshandlungen angesichts des Elends? Die Zahl der Tierschutzvereine, die sich auf Auslandstierschutz spezialisiert haben, steigt genauso wie die Anfragen bei Tierschutzorganisationen und Tierheimen nach geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten. Obwohl seitens derjenigen, die dieses System Auslandstierschutz praktizieren, beteuert wird, dass die Tiere nur verbracht werden, wenn ein geeigneter Unterbringungsplatz gewährleistet wird. Dass diese Gewährleistung nicht selten auch von in Deutschland ansässigen Tierheimen erfolgt, wirft Fragen auf. Einerseits wird die Platznot kolportiert und anderseits wird nicht jedes Tier aus dem Heim auch sofort vermittelt.

Was ist also zu tun? Um die Ursache bei der Wurzel zu packen, muss das Hauptaugenmerk auf der Tätigkeit vor Ort liegen, hier müssen adäquate und nach Standards hierzulande geeignete Tierheime und Tierhöfe mit geschultem Personal aufgebaut werden. Akzeptanz finden solche Einrichtungen in den jeweiligen Ländern aber auch nur, wenn die Bevölkerung mit in die Projektarbeit einbezogen, kulturelle und sozial-landestypische Dynamiken dabei berücksichtigt werden. Ein weiterer Schwerpunkt müssen Kastrationsprojekte bleiben, sowie eine offensive praktische Öffentlichkeitsarbeit, die die Belange von Tieren im Allgemeinen und speziell die von Streunern berücksichtigt. Das Motto darf eben nicht nur allein lauten: „Es ist gut, solang man es tut“ – gut wird es erst durch lösungsorientiertes Handeln und einen sehr langen Atem. Solange nicht auf mehreren Ebenen professionell gehandelt wird, besteht das Risiko, dass man noch über Jahre Tropfen auf die heißen Steine gibt und dass die ehemaligen Streuner wieder in eine ungesicherte Zukunft blicken.